Kirchenführung durch unsere Kapelle St. Wolfgang und Wendelin
Geschichte:
Archäologische Untersuchungen ergaben, dass sich im Mittelalter an der Stelle der heutigen Kapelle ein Holzständerbau befand, doch lässt sich dessen Funktion kaum belegen. Entsprechend muss die Jahreszahl 1523, die sich über dem Chorbogen findet, als erster Beleg für die Existenz eines Gotteshauses an dieser Stelle gelten. Zu dieser Zeit wurde das Gebäude in der Form errichtet, wie es sich noch heute präsentiert. Die Errichtung eines gotischen Baus im 16. Jahrhundert entsprach zwar nicht mehr dem gängigen Stilempfinden dieser Zeit, stellt aber auch keine Seltenheit dar. Schwieriger als die kunstgeschichtliche Einordnung gestaltet sich vielmehr die Deutung des politischen Umfeldes während des Baus der Kirche. Seit dem Thesenanschlag Martin Luthers 1517 erfasste die Reformation weite Teile der Bevölkerung und der Bauernkrieg von 1525 berief sich ausdrücklich auf reformatorisches Gedankengut. Auch die Bauern des Unteren Dorfes von Bobingen erhoben sich in diesem Jahr gegen den bischöflichen Grundherrn.
Unter diesen Vorzeichen ist es nicht verwunderlich, dass zwei unterschiedliche Gründungslegenden für die Kapelle überliefert sind: Die eine besagt, die Bewohner des Unteren Dorfes hätten eine eigene Kapelle bei sich vor Ort haben wollen und deshalb selbstständig den Bau errichtet. Die andere behauptet, dass sich an der Stelle der heutigen Kirche ein Tanzplatz befunden habe, wobei der Bischof dem dortigen Treiben durch die Errichtung der Kapelle ein Ende setzen wollte. Beide Versionen passen in die Vorgänge der Zeit: Großes Selbstbewusstsein der Bauern traf auf entschiedenes Vorgehen der Landesherren, die im Bauernkrieg die Oberhand behielten. Im Chorbogen der heutigen St. Wolfgang- und Wendelinkapelle erscheint neben der Zahl 1523 auch andere Datierungen, die auf Renovierungsdaten 1680, 1728 und 1901 hinweisen. Die Kapelle wurde schon 1534, wohl beeinflusst von den Wirren der Reformationszeit, profaniert und als Holzlege benutzt. Erst 1596 wurde der Bau wieder seiner ursprünglichen Bedeutung zugeführt. 1680 wurde die Kapelle barockisiert. 1693 sind zwei große Gemälde im Chor entstanden. Sie zeigen die Kirchenpatrone Wolfgang und Wendelin mit Szenen aus ihrem Leben. Die spätgotische Kapelle mit barockem Dachreiter liegt auf einem kleinen Hügel und bildete das Zentrum des Unteren Dorfes mit Schmiede, Gaststätte und Bauernhäusern. Der Charakter der Kapelle spiegelt ein würdiges Zeugnis bäuerlicher Kultur. Ständige Renovierungsarbeiten – zuletzt 1936, 1991 und 2014 – zeigen die großen Bemühungen um die Erhaltung der für das Untere Dorf so wichtigen Kapelle und führten zur heutigen Gestaltung. Seit der Renovierung von 1991 ziert nun – nach altem Vorbild – auch wieder eine Sonnenuhr die Südfassade.
Hochaltar Der Flügelaltar, bei der umfassenden Restaurierung 1936 von Hans Schorer erstellt, folgte dem nach Scherstetten verkauften Barockaltar von 1680. Im heutigen Hochaltar der Kapelle sind im Mittelschrein St. Wendelin und – ihm zu linker und rechter Seite – der Hl. Sebastian und Hl. Rochus dargestellt. Die Flügel des Hochaltars zeigen Reliefs zur Weihnachtsgeschichte.
Rechter und linker Seitenaltar Die Seitenaltäre entstanden 1683, deren Mittelnischen wohl damals schon Skulpturen enthielten. Die Josephfigur im rechten Seitenaltar dürfte die originale Ausstattung darstellen. Die ursprünglich im linken Seitenaltar befindliche Figur ist verlorengegangen und spätestens im 19. Jahrhundert ersetzt worden. Bis in die 30er Jahre des letzten Jahrhunderts stand hier nämlich eine im Stil der Nazarener gestaltete Figur der „Immaculata“, die dann gegen die heutige ausgetauscht wurde. In den oberen Aufbauten der Seitenaltäre sind noch original zugehörige Gemälde erhalten.
Kreuzwegdarstellung Der Kreuzweg der St. Wolfgang- und Wendelin-Kapelle ist von besonderer Art, nämlich als Folge graziöser kolorierter Kupferstichblätter von der Hand des berühmten Augsburgers Gottfried Bernhard Göz (1708 – 1774). Die Tafeln sind 1938 geweiht, also wohl damals auch erworben worden.
Weitere Ausstattung Holzfiguren, Leuchter und Votivgaben gestalten das Innere des Kirchleins zu einem ansprechenden schlichten, doch stimmungsvollem Ganzen. Neben der hochwertigen Innenausstattung der St. Wolfgang- und Wendelinkapelle sind besonders die Glasfenster mit den Rosenkranzgeheimnissen (Prof. Josef Oberberger, 1936) hervorzuheben.
Unsere Kirchenpatrone
Sankt Wolfgang: Wolfgang, einer der volkstümlichsten Heiligen in Deutschland, wurde 924 in einem angesehenen, aber armen Elternhaus in Pfullingen bei Reutlingen geboren. Erzogen wurde er in der Klosterschule auf der Bodensee-Insel Reichenau. Als Wolfgangs Studienfreund Heinrich im Jahr 956 Erzbischof von Trier wurde, folgte ihm Wolfgang und wirkte dort als Domscholaster und Domdekan. Dann entschied sich Wolfgang für ein anderes Leben. Er ging nach Einsiedeln in der Schweiz und legte im dortigen Benediktinerkloster die Gelübde ab. Vier Jahre später empfing er von Bischof Ulrich von Augsburg die Priesterweihe. Kurz darauf verließ Wolfgang Einsiedeln, um in Österreich und Ungarn zu missionieren. Die Ungarnmission dauerte nicht lange, denn der Passauer Bischof rief ihn zurück und fädelte es schließlich geschickt ein, dass sich Wolfgang einverstanden erklärte, im Jahre 972 das Bistum Regensburg zu übernehmen. Als Bischof von Regensburg entwickelte er eine segensreiche Tätigkeit. Er reformierte die bestehenden Klöster, gründete neue Stifte, vertiefte die Religiösität im Volk und kümmerte sich um die Armen und Kranken. Als sich Herzog Heinrich der Zänker gegen König Otto II. erhob, musste sich Wolfgang nach Mondsee zurückziehen. Dieser Aufenthalt bildet wohl den historischen Kern einer Legende, wonach Wolfgang ein Einsiedlerleben am Abersee, dem heutigen Wolfgangsee, geführt habe. Um eine Kapelle zu errichten, soll er einen Wald gerodet haben; als ein Helfer großen Durst hatte, soll Wolfgang auf der Stelle eine Quelle aufgetan haben, deren Wasser später als heilkräftig gerühmt und von Pilgern mit nach Hause genommen wurde. Während einer Reise durch Oberösterreich starb Wolfgang am 31. Oktober 994 im Alter von 70 Jahren in Pupping. Beigesetzt wurde der Regensburger Bischof im Kloster St. Emmeran in Regensburg. Papst Leo IX. erhob die Gebeine des Bischofs am 7. Oktober 1052.
Sankt Wendelin: Die Lebensgeschichte Wendelins beruht zum größten Teil auf Legenden. Danach war er ein schottischer Königssohn und kam um das Jahr 550 zur Welt. Er verzichtete auf den Thron und durchwanderte dann viele Länder, bis er sich als Einsiedler in den Vogesen niederließ. Um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen, übernahm Wendelin Hirtendienste bei einem Adligen. Deshalb wird er mit einem jungen Schaf, mit Stab und Wasserbehälter dargestellt. Bei dieser Arbeit fand er Zeit zum Gebet, ohne aber die Sorge für seine Tiere zu vernachlässigen. Später wurde er von Mönchen zum Abt des Klosters Tholey (an der Saar) gewählt, in dem er im Jahr 617 auch gestorben ist. Aus der Begräbnisstätte entwickelte sich bald eine berühmte Wallfahrtsstätte. Nach und nach entstand aus dem Pilgerort die Stadt St. Wendel an der Saar: Gott, Du erleuchtest die Herzen der Menschen. Lass mich meine Aufgabe in diesem Leben erkennen und erfüllen, aber so, dass ich das Ziel meines Lebens, Dich, nicht aus dem Auge verliere. Amen.
Nähere Informationen über St. Wolfgang und Wendelin können Sie unserem Kirchenführer entnehmen, den Sie für € 4,00 im Pfarrbüro erwerben können.